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Montag, 5. Oktober 2020

Victim Blaming durch die Polizei?


Victim Blaming, also "Opferbeschuldigung", ist immer wieder aus den Pressemitteilungen der Polizei herauszulesen, besonders wenn es um Unfälle mit Radfahrenden geht. So verbreitete der Saarländische Rundfunk gestern folgende Meldung der saarländischen Polizei:

Saarbrücken: Zwei schwer verletzte Fahrradfahrer

04.10.2020 10:49:02

Zwei Fahrradfahrer sind bei Verkehrsunfällen im Saarland am Samstag schwer verletzt worden. Nach Polizeiangaben übersah eine Autofahrerin in Dudweiler beim Wenden einen Fahrradfahrer. Durch die Kollision wurde dieser zwei Meter durch die Luft geschleudert, bevor er auf der Straße aufprallte. Der Fahrradfahrer trug keinen Helm. Er erlitt eine Fraktur der Wirbelsäule. Ein 15-jähriger Fahrradfahrer kam beim Befahren einer abschüssigen Rampe im Parkhaus eines Einkaufsmarktes in St. Wendel zu Fall. Er war gegen eine Absperrkette gefahren.


Und gleich wieder einige mehr als zweifelhafte Formulierungen in einer einzigen Meldung: So "übersah eine Autofahrerin" einen Radfahrer. Man kann ja mal etwas übersehen, oder? Und so ein Radfahrer ist ja sowieso schwer zu erkennen, so klein wie der ist und so blitzschnell wie der auftaucht und wieder verschwindet.

Warum formuliert man die Meldung nicht so, dass die Schuld an dem Unfall klar benannt wird? "Die Autofahrerin hat ohne auf den Verkehr zu achten gewendet und dabei den Radfahrer erfasst und durch die Luft geschleudert".

Die Krönung aber ist wieder der Satz "Der Fahrradfahrer trug keinen Helm". Na und? Er war weder verpflichtet einen Helm zu tragen noch hätte es für die Schwere des Unfalls einen Unterschied gemacht. Denn "Er erlitt eine Fraktur der Wirbelsäule". Und die wird bekanntlich durch keinerlei Fahrradhelm geschützt.

Man möge mich nicht falsch verstehen: Ich trage selbst immer einen Helm und plädiere auch nicht dafür, keinen Helm zu tragen. Aber das "Helm-tragen" oder auch "Nicht-Helm-tragen" hat mit dem Unfall rein gar nichts zu tun. Unbedarfte Geister aber könnten diese Meldung so verstehen, dass der Radfahrer durch das Nichttragen eines Helms selbst an seinen Verletzungen Schuld ist. Und so impliziert diese Meldung eine Schuld des Radfahrers, die der nicht hat.

Jetzt noch mal zum "Victim Blaming" eine Erklärung der deutschsprachigen Wikipedia:

Victim blaming oder blaming the victimdeutsch Täter-Opfer-Umkehr und Opferbeschuldigung ist die Beschreibung für ein Vorgehen, das die Schuld für einen Übergriff beim Opfer selbst sucht. Hierdurch kommt es zu einer verstärkten sekundären Viktimisierung und evtl. zu stärkeren Traumafolgestörungen.

Meine Kritik an der Meldung geht dabei nicht nur an die Polizei, die solche Pressemitteilungen verfasst, sondern auch ganz besonders an die professionellen Journalisten, die eine solche Formulierung ohne Korrektur weiterverwenden und verbreiten. Gerade von Profis erwarte ich, dass sie eine solche Meldung nicht kommentarlos weiterreichen.

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